Komische Oper Berlin: Schwandas verstimmter Dudelsack

Xl_5f616fc2-7893-4f51-99bd-7bfda24ac855 © Jaro Suffner

 

Schwanda,  der Dudelsackpfeifer
(Jaromir Weinberger)

(Premiere am 5. März 2022)

Komische Oper Berlin

Die Komische Oper Berlin setzt ihre Serie von Inszenierungen verfolgter Komponisten aus den 20er Jahren fort, diesmal ausnahmsweise ohne Fortune  

Mit dem 1927 am Prager Nationaltheater uraufgeführten Werk Schwanda, der Dudelsackpfeifer von Jaromir Weinberger setzt die Komische Oper Berlin die Serie der Aufführungen unbekannter oder wenig gespielter Werke von jüdischen Komponisten fort, die im nationalsozialistischen Deutschland verboten wurden und ins Ausland fliehen mussten. 

Weinberger floh 1939 aus Deutschland und übersiedelte nach Amerika. Wie auch andere Künstler in der gleichen Situation stand er materiell vor dem Nichts. Er überlebte schließlich durch die Komposition von Orchesterwerken, litt jahrelang an schweren Depressionen und nahm sich 1967 in Florida das Leben.

Die Oper basiert auf einem Theaterstück von Josef Kajetan Tyl. Die deutsche Fassung wurde von Max Brod übersetzt und bearbeitet. Das Werk war in den Jahren nach der Uraufführung bis zum Verbot durch die Nationalsozialisten gerade in seiner deutschen Übersetzung außerordentlich erfolgreich und wurde von an der Berliner Staatsoper unter Erich Kleiber 1929, an der Wiener Staatsoper unter Clemens Krauss 1930, sowie unter Hans Knappertsbusch ebenfalls 1930 an der Münchner Staatsoper zur Aufführung gebracht. Tausende Aufführungen an einer Vielzahl von Theatern weltweit folgten. Andere Kompositionen, auch Opern Weinbergers konnten nicht im Ansatz an diesen Erfolg anknüpfen. 

Das Werk war lange Jahre von den Spielplänen verschwunden, tauchte in letzter Zeit gelegentlich wieder auf, u.a. beim Wexford Festival 2003, in Dresden 2012, Gießen 2018, Gelsenkirchen 2019 und erst kürzlich an der Oper Graz. 

Von Weinberger hat die Komische Oper in der Spielzeit 2019/20 sehr erfolgreich die Operette Frühlingsstürme, die auch als letzte Operette der Weimarer Republik bezeichnet wird, gezeigt. Regie führte der Chef des Hauses – Barrie Kosky – selbst.

Jetzt hat man den ehemaligen Intendantenwechsels des Hauses – Andreas Homoki – gebeten, die Erstaufführung des Werkes an seiner alten Wirkungsstätte zu betreuen. Warum, wird nicht klar.     

Die Handlung basiert auf verschiedenen slawischen Märchen und Mythenfiguren, der Teufel ist dabei, der slawische Dorf-Orpheus Schwanda und sein altbackenes, liebes Mädel – die Personencharakterisierung einer braven Frau am Herd, die heute maximal als Abschreckung für ein zeitgemäßes Frauenbild dienen könnte. Daneben gibt es die Figur eines ländlichen Räuberhauptmanns, eines Magiers und der Königin mit dem vereisten Herzen. Die Charaktere entwickeln sich weder für sich noch in ihren Begegnungen während der Handlung. Alles läuft erwartungsgemäß ab. Die Liebenden brauchen nie ernsthaft um einander zu fürchten.    

Die Musik schwelgt in gefälligen, schönen, vor allem vielen böhmischen und slawischen Tänzen und Melodien. Man erkennt Dvorak, viel Smetana und noch mehr Korngold. Es werden operettenhafte, jazzige und wenn man das so hören will, auch Elemente von Schreker und Richard Strauss einbezogen. Wer in dem speziellen kulturellen Raum aufgewachsen ist, mag sich unmittelbar angesprochen fühlen und eine im besten Sinne heimatverbundene Beziehung und Erinnerung haben.   

Der Plot ist aus heutiger Sicht altbacken und schwerfällig. Keine leichte Aufgabe für eine effektvolle Umsetzung auf einer heutigen Bühne. Andreas Homoki biete allerdings auch nicht viel: reine unisono mit dem Text angelegte, uninspirierte Handlungsabläufe. Keine ausgefeilte, kreative Personenführung, keine ironisch-satirische Zuspitzung, keine zynisch-zugespitzte Pointierung. Stattdessen viele hilflose Gesten, die man an diesem Haus mit seinem engagierten Regieansätzen ganz und gar nicht kennt. 

Den Höhepunkt bildet eine hochnotpeinliches Tanzszene (Choreographie Otto Pichler) auf den Schützengräben mit west-östlichem Diktator-Auftritt in den Figuren von Hitler und Stalin, mit ausgestopften Bäuchen und Hinterteilen. Das wäre auch nicht besser gewesen, wenn die Produktion nicht auch noch ausgerechnet jetzt vor dem Hintergrund der kriegerischen Auseinandersetzungen in der Ukraine herausgekommen wäre. 

Das Bühnenbild von Paul Zoller und die Kostüme von Klaus Bruns dürfen Märchenhaftigkeit in allen bunten und belanglosen Varianten präsentieren.  

Die musikalische Seite präsentiert sich in guter Verfassung. Daniel Schmutzhard gibt einen unbeschwert, stimmlich und darstellerisch immer präsenten, sonnigen Titelhelden. Kiandra Howarth überzeugt mit einer warmherzigen und runden stimmlichen Darstellung seiner Freundin Dorotka. Die Königin und ihr Magier werden von Ursula Hesse von den Steinen und Jens Larsen in buntem Outfit gesanglich auf hohem Niveau gegeben. Mit Spielfreude und großem Einsatz verkörpert Philipp Meierhöfer den Teufel. Die einsame Räuberfigur Babinský wird musikalisch überzeugend von Tilmann Unger gesungen.        

Chorsolisten der Komischen Oper unter der Leitung von David Cavelius und das Orchester der Komischen Oper unter ihrem Chefdirigenten Ainārs Rubiķis stehen für einen engagierten Einsatz für diese Erstaufführung am Hause.  

Der Komischen Oper Berlin sind verdienstvolle Ausgrabungen anderer Werke der Zeit in gelungenen Inszenierungen geglückt. Man kann in diesem Fall sehen, dass die Realisierung dieses Werktyps viel handwerkliches Können erfordert, das gar nicht so leicht ist wie es daherzukommen scheint.   

Beifall vor allem für die Sänger, mildtätiger Applaus für das Regieteam, erstaunlicherweise ganz ohne Proteste. 

Achim Dombrowski

Copyright: Jaro Suffner

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