In den Cotswolds mit Ariadne

Xl_jonathan_stoughton_lfo_ariadne_auf_naxos_2018_cr_matthew_williams-ellis__226_ © Matthew Williams-Ellis

Copyright: Matthew Williams-Ellis

Ariadne auf Naxos
von Richard Strauss

Longborough Festival Opera
Premiere am 13. Juli 2018
besuchte Aufführung am 19. Juli 2018

Auch die Cotswolds in England verfügen im Sommer über ein eigenes, privates Opernfestival: in Longborough kommen in diesem Jahr wieder vier neue Inszenierungen folgender Werke heraus: Der fliegende Holländer, La Traviata, L’Incoronazione di Poppea und Ariadne auf Naxos.

Das kleine Haus mit ca. 500 Sitzplätzen ist aus einem umgebauten Stall entstanden und fokussiert seit 1998 insbesondere auch auf die Opern Richard Wagners. In gewisser Weise handelt es sich um einen Familienbetrieb, in welchem Lizzie, Martin und Tochter Polly Graham die organisatorischen und künstlerischen Fäden in der Hand halten.  2002 und 2004 hat man den gesamten Ring des Nibelungen von Richard Wagner zur Aufführung gebracht. Besonders stolz ist man auch drauf, dass man das einzige Haus in England war, das im 200. Geburtsjahr den Zyklus komplett zur Aufführung gebracht hat. Der nächste komplette Zyklus ist für 2023 geplant und soll ab 2019 erarbeitet werden. Ergänzt werden die Aktivitäten durch eine intensive Zusammenarbeit mit lokalen Schulen, die ansonsten keine Berührung mit klassischer Musik oder Oper haben.

Mit Ariadne auf Naxos kommt zum ersten Mal auch ein Werk von Richard Strauss auf die Bühne des Festivals. Dieses nach den großen Orchesterbesetzungen der vorangegangenen Werke Richard Strauss‘ scheinbar kammermusikalische Opus stellt hohe Ansprüche. Zum einen benötigt man zumindest für die Rollen von Ariadne und Bacchus ebenso so große Stimmkaliber wie bei einer Wagneroper, zum anderen sind die Ansprüche an das spezifisch deutsche Text-Musikverständnis an alle Sänger außerordentlich hoch.

Im Vorspiel erleben wir die Vorbereitungen für die Aufführung einer Oper und einer Burleske mit Harlekinen im Hause eines reichen Mäzens, der beide Werke in Auftrag gegeben hat und die ursprünglich hintereinander am selben Abend aufgeführt werden sollen. Plötzlich ergeht der Auftrag des Mäzens, die beiden Werke gleichzeitig zu spielen. Der Komponist stürzt entsetzt davon. In der eigentlichen Oper wartet die von Theseus verlassene Ariadne auf ihren Tod. Die Harlekine können sie nicht trösten. Als der junge Gott Bacchus erscheint, hält Ariadne ihn für den Todesgott. Doch er nimmt sie in die Arme und erweckt sie zu neuem Leben. Die Harlekine schauen aus der Ferne zu.

Regisseur Alan Privett zusammen mit Kostüm- und Bühnenbildner Faye Bradley und der Lichtregie von Ben Ormerod gelingt das Kunststück, mit wenigen, aber wirksamen Mitteln eine atmosphärisch ansprechende Bühne zu schaffen. Die Sprechrolle des Hausmeisters ist mit Anthony Wise in Kostüm und Erscheinung von Karl Lagerfeld herrlich blasiert besetzt und die Sänger agieren klug und den verschiedenen Situationen angemessen. Insbesondere Helena Dix kann beim Spiel einen weiten Bogen von der Komödiantik der Prima Donna im Vorspiel und der Getragenheit der Ariadne in der Oper schlagen. Das stimmliche Darstellungsspektrum ihres tragfähigen Soprans ist ebenso vielschichtig, so dass ihr ein überzeugendes Rollenstudium gelingt. Ihr zur Seite bewährt sich der heldenhafte Tenor und Bacchus von Jonathan Stoughton bestens. Die sehr hymnenhaften Teile seines Schlussduetts mit Ariadne nimmt er mit kluger Temperierung seines scheinbar grenzenlosen Materials.

Die Zerbinetta von Robyn Allegra Parton ist verführerisch leicht und souverän gespielt und wird nach der mörderisch schweren Koloraturarie in der Oper von Publikum zu Recht durch Szenenapplaus begeistert gefeiert. Die Partie sitzt gut in der Stimme, wenngleich ein zeitweise silbrigerer, leichterer Koloraturton noch mehr überzeugt hätte. Der Komponist wird von Clare Presland mit aller emphatischen Ausdruckskraft zwischen Begeisterung und Verzweiflung gegeben. Die Stimme passt wunderbar für die Rolle, wenngleich ein spezifischeres Verständnis der deutschen Sprache bei Text und Gesanglinie hilfreich gewesen wäre. Exzellent besetzt war die Rolle des Musiklehrers mit Darren Jefferey, der auch das beste Deutsch sprach und sang.

The Longborough Festival Opera Orchestra unter Leitung des langjährigen musikalischen Leiters der Festspiele Anthony Negus spielte mit großer Freude und Konzentration auf und verstand es, musikalische Steigerungen und Höhepunkte gut zu setzen. Das in der Ariadne mit 37 Musikern kleiner als in anderen Produktionen besetzte Ensemble ist gut aufeinander eingespielt, wenngleich die in der Partitur der Ariadne so vielfältigen gerade im kleinen Ensemble interessanten klanglichen Reibungen weniger stark zum Ausdruck kamen.

Unter den britischen Opernfestivals ist Longborough vielleicht das sympathischste mit seinen höchsten, fast ein wenig versponnenen Ambitionen, nicht nur bei der Aufführung von Wagneropern, selbst gesetzten künstlerischen Anforderungen. Das Festival wird von vielen Liebhabern der Oper und des Wagner‘schen Werkes privat unterstützt und greift auf eine Vielzahl von fleißigen, ehrenamtlichen Helfern zurück. Und wie bei allen Festivals dieser Art in England sind Essen, Wein und der unvergleichliche Blick in die Landschaft schon allein einen Besuch wert.

Achim Dombrowski

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