Ehrung eines Meisters in Köln

Xl_393cd2b6-e8c3-489c-9df3-b535f7c5bfeb © Bernd Uhlig

Oper der Stadt Köln

 

Der Meister und Margarita

York Höller

Premiere am 03. April 2022 in Anwesenheit des Komponisten

In der Kölner Neuproduktion kommt Höllers Oper erneut großartig zur Geltung.

Man mag es gar nicht glauben: der höchst komplexe, grotesk-vielschichtige Roman von Michael Bulgakow, der 1891 in Kiew geboren wurde und 1940 in Moskau verstarb, wurde schon vor York Höller zweimal vertont. Die Komponisten Rainer Kunad und Sergej Slonimski versuchten sich ebenfalls an dem Opus mit eigenen Opernkompositionen.

Köln ehrt mit der erst vierten Neuproduktion von Höllers Oper den 1944 geborenen Zimmermann-Schüler, der auch mit Pierre Boulez arbeitete und die meiste Zeit seines Lebens mit der Domstadt verbunden war, z. B auch in der Position des künstlerischen Leiters des Studios für Elektronische Musik beim WDR. Der Komponist war selber zur Premiere anwesend.

Der Meister und Margarita wurde 1989 unter der musikalischen Leitung von Lothar Zagrosek und in einer Inszenierung von Hans Neuenfels in Paris uraufgeführt, 1991 gab es dann die Deutsche Uraufführung an der Kölner Oper – ebenfalls unter Zagrosek - bis schließlich die Hamburg Oper 2013 mit einer dritten Produktion folgte. Das ist eine kuriose Reihenfolge, wenn man bedenkt, dass das Werk ursprünglich ein Auftragswerk der Hamburgischen Staatsoper war. Jetzt also bereits zum zweiten Male Köln, inszeniert von Valentin Schwarz, dessen Produktion von Mauricio Kagels Mare nostrum  an der Oper Köln viel Aufsehen erregt hatte. Die musikalische Leitung liegt bei André de Ridder.

Die Oper hatte eine leichtere Entstehungsgeschichte als der Roman in seiner sowjetischen Heimat, in der eine Geschichte mit einem psychisch bedrohten Dichter, dessen Geliebter Margarita, die ihm das Leben rettet, der Erscheinung von Jesus, Pilatus und des Teufels mit seinen Kumpanen, sowie der Tod durch eine Straßenbahn eines kommunistischen Literaturfunktionärs wie eine Verhöhnung des sozialistischen Realismus und der sowjetischen Bürokratie wirken musste. Der Roman entstand in den 30er Jahren in Moskau, wurde aber erst 1966/67 in der Sowjetunion veröffentlicht.     

Der Musikstil der Oper fußt auf der Basis einer Tonreihe von 31 Noten und der Mischung von elektronischer Musik mit Zuspielungen sowie einem gewaltigen „Schlagzeug-Orchester im Orchester“, gewissermaßen, Zitate aus Berlioz‘ Symphonie Fantastique, Mussorgsky und sogar der Sympathy with the Devil der Rolling Stones. 

Es mag wohl sein, dass man zum Zeitpunkt der Uraufführung des Werkes diese Klang- und Stilkombinationen noch aufregender empfunden hat als heute, aber man kann sich der Gesamtwirkung nicht entziehen. 

Die Inszenierung von Valentin Schwarz arbeitet oft mit einer leeren Bühne (Andrea Cozzi), einem variablen Lichthintergrund in der atmosphärisch-starken Lichtregie von Andreas Grüter, außerdem einem Höllenloch, aus dem auch schon mal das Fegefeuer hervorscheint und wenig weiteren gegenständlichen Objekten wie etwa zwei stilisierten Kirchtürmen, die im Laufe der Aktion ihre Stellung wechseln. Schwarz sagt selber, dass er den klassischen Genrebildern des alten Russland entgehen will. Ganz wichtig ist der Einsatz einer raumgreifenden Drehbühne, die einen ununterbrochenen Handlungsablauf sicherstellt. 

Besonders ausdrucksstark sind die Kostümkreationen von Andy Besuch. In riesigen, die Sänger umgebenden, übergroßen Fantasiekreationen bewegt sich die schwarze Teufelsgarde, die Schriftstellergruppe oder auch der wie in ein Monument von Kirchenfenstern gewandete Pontius Pilatus. Diese fantasievolle Ausstattung beeindruckt zunächst gewaltig und verblüfft in ihrer Kreativität und Farbigkeit. Sie scheint zunächst den grotesk-überbordenden Stil des Romans gut aufzunehmen. Sie erschöpft sich jedoch auch recht bald. Sie belässt die Akteure in gewisser Weise in comic-artigen, recht isolierten Positionierungen zueinander, sie fördert nicht die rhetorische und handlungs-induzierte Interaktionen der Charaktere. Eine ausdifferenzierte Personenführung ist kaum möglich. Insbesondere erlaubt sie nicht, die zunächst unmerkliche Verwobenheit von Realität, Irrealität und Wahnsinn zu zeichnen, die den besonderen Reiz des Romanvorlage ausmacht. 

Von besonderer künstlerischer Wirkung wäre gerade die unterbewusste Durchdringung der Sphären, bei denen man nicht sicher sein kann, welche Einflüsse oder Mächte gerade die reale Wahrnehmung trüben, aber die Geschicke umso mehr bestimmen.

Die langen Textpassagen werden unter den Großmasken, die häufig auch die Gesichter der Akteure komplett abdecken, nicht verständlicher und bewirken zunehmend einen statischen Charakter, der über die Entwicklung des Abends Längen hervorruft.         

Die Sänger sind allesamt Debütanten in ihren anspruchsvollen Rollen: Nikolay Borchev als Meister und Jeschua glänzt in den Zwischenwelten der unterschiedlichen Darstellungs- und Zeitebenen.   

Voland, der schwarze Magie von Bjarni Thor Kristinsson gibt durchdringende, auch von Statur und Bewegung eindrucksvolle Rollenportraits.    

Mit Pontius Piltaus und Dr. Strawinsky erarbeitet sich Oliver Zwarg eine weitere Rolle in seinem außergewöhnlichen Repertoire von Bühnen- und Opernportraits.  

Adriana Bastidas-Gamboa als Margarita bringt in stimmlicher und darstellerischer Ausdruckskraft die unerschütterliche Liebe für ihren Meister und den Glauben an den Sieg des Guten auf die Bühne.    

Gewaltig die Leistung des Gürzenich-Orchesters Köln. In riesiger Mannschaftsstärke mit einem schon eigenen Schlagzeug-Orchester ist das Kollektiv rechts neben der Bühne positioniert. 

Und wieder zeigt sich das mittlerweile so unfreiwillige Ausweichquartier im Staatenhaus in der Kölner Messe für diese spezielle Aufführung als Glücksfall, denn eine Umsetzung mit diesem Apparat selbst im größten Opernhaus der Welt müsste dagegen beengt wirken.   

Applaus für die Sänger, die gigantische Leistung des Orchesters unter André de Ridder, dessen weitgespanntes Repertoire auch eine enge und vertrauensvolle  Zusammenarbeit mit zeitgenössischen Komponisten umfasst. Das Publikum erkannte und würdigte dementsprechend den aufwendigen und bedingungslosen Einsatz  aller Beteiligter.

Der Regisseur wird beim Schlussapplaus von einem jungen Assistenten per Laptop zugeschaltet hereingetragen – Corona hat zugeschlagen. Er kann die gemischte Reaktion auf seine Arbeit wahrscheinlich gar nicht richtig wahrnehmen. 

Der anwesende Komponist York Höller wird gefeiert.

Achim Dombrowski

Copyright Bernd Uhlig

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