Die Tote Stadt - erste Neuproduktion dieser Spielzeit in der der Komischen Oper Berlin

Xl_6093_drama2018082_1442_ikofreese_drama_berlin.de © Iko Freese

In der ersten Neuproduktion dieser Spielzeit feiert der Regisseur Robert Carson seinen spätes Debut an der Komischen Oper Berlin. Wie in Fortsetzung an die äußerst erfolgreiche Ausgrabung das Wunder der Heliane an der Deutschen Oper zu Beginn des Jahres kehrt jetzt mit Die Tote Stadt ein weiteres Werk von Erich Wolfgang Korngold nach Berlin zurück. Die Tote Stadt basiert auf dem Roman Bruges-la-Mort von Georges Rodenbach, welchen der Komponist zusammen mit seinem Vater Julius zu einem dreiaktigen Libretto geformt hat. Der als Wunderkind gepriesene Komponist beginnt mit 19 Jahren die Arbeit an der Partitur. Die Doppeluraufführung findet am 4. Dezember 1920 in Hamburg und Köln statt. 

Die Handlung beschreibt den scheiternden Versuch Pauls, nach dem Tod seiner Frau ins Leben zurückzukehren. Auch der Verführungsversuch der lebensfrohen Marietta vermag das nicht zu bewirken. In höchster Zerrissenheit ermordet Paul Marietta. Roman und Libretto weisen Unklarheiten und unbeantwortete Fragen auf. So bleibt verborgen, woran Pauls Frau Maria verstorben ist. Ebenso bleibt bei vielen Ereignissen des Geschehens unklar, ob sie real oder nur in Pauls obsessivem, rückwärtsgewandtem Wahn stattfinden.        

Carson und seinem lange bewährten Team gelingt eine konzise und spannende Umsetzung der Vorlage, wobei der Lichtregie von Robert Carson zusammen mit Peter van Praet eine besondere Bedeutung zukommt. Pauls wechselnde Empfindungen und psychologische Dispositionen werden überzeugend in Lichtkonzepte umgesetzt. Unterstützt wird der Eindruck durch die behutsamen Videoeinspielungen von Will Duke, die die Erscheinung Maries begleiten. Das Bühnenbild von Michael Levine ist im Kern auf wenige Komponenten wie Einrichtungsgegenstände des Schlafzimmers und Bilder sowie persönliche Utensilien Maries, z B ihre Schuhe begrenzt. Die Oper spielt zur Entstehungszeit des Werkes in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts. Die Kostüme stammen von Petra Reinhardt.

Paul ist entweder Teil der Handlung oder aber unvermittelt Außenseiter und Betrachter. Die Grenzen verschwimmen. Der zentrale Raum weitet sich, die Drehbühne vermittelt einen schwankenden Boden. Die Gegenstände umkreisen sich, verlieren ihre in Pauls Phantasie unantastbare Position, kehren mit Silberflitter verfremdet wie in einem Traumbild wieder. Bei besonderen Anlässen wie der Rückbesinnung an die Beerdigung Maries oder die Marienprozession mit übergroßen Heiligenfiguren werden auch die Menschen wie in kosmischer Bewegung durch Raum und Zeit getragen. Die Schlussszene zeigt das Schlafzimmer als Raum eines Sanatoriums.

Bei aller Magie und Bewusstseinstrübung durch die disparaten Handlungselemente verbleibt eine einzige unheimliche Logik: Paul selbst hat seine Marie ermordet. An Marietta vollzieht er die zwanghafte Wiederholung seiner Tat und Schuld. Glasklar die klare und unausweichlich wirkende Konsequenz der Ereignisse in der Regiekonzeption, wobei die Musik Korngolds die notwendige schwelgerische Sogwirkung entwickelt.

Die musikalische Seite der Aufführung ist uneinheitlich. Sara Jakubiak, die nach ihrer grandiosen Heliane an der Deutschen Oper Berlin wenige Monate zuvor brillierte, gibt als Marietta und Die Erscheinung Mariens eine überzeugende Darstellung. Allerdings ist die große Stimme mitunter nicht immer kontrolliert geführt und erscheint dem kleineren Haus der Komischen Oper nicht immer optimal angepasst. Aleš Briscein beweist ein grandioses Durchhaltevermögen für die schwierige Partie des Paul. In Mittel- und hoher Lage besticht der Tenor mit melodischer Tongebung und hoher Durchschlagskraft, allerdings ist die Stimme nicht immer sehr differenziert. Die Anstrengungen der langen Partie werden hörbar. 

Günter Papendell gibt in den Partien als Pauls Freund Fritz und Pierrot mit dem natürlichen Höhepunkt des Liedes „Mein Sehnen, mein Wähnen“ eine seiner bekannten bewegenden Leistungen, wenngleich die Stimmführung zeitweise etwas verhalten wirkt. Eine überzeugende Leistung bot Maria Fiselier als treue Brigitta, die Haushälterin Pauls.

In der quirligen Choreographie von Rebecca Howell wird Marietta bei der Ballettszene, die die Wiedererweckung der Helene aus Meyerbeers Robert der Teufel darstellt, wirkungsvoll von einer energiegeladenen Tänzergruppe begleitet.

Unter dem Dirigat des Generalmusikdirektors des Hauses, Ainārs Rubiķis, spielt das Orchester der Komischen Oper mit viel Sinn für die verführerischen und schwelgerischen Teile der Partitur. Rubiķis strebt darüber hinaus unermüdlich an, möglichst vielen Details der durchkomponierten Partitur nachzuspüren. Temporückungen, dynamische Zuspitzungen und Solopartien einzelner Instrumente werden fortwährend hörbar gemacht. Das wird der komplexen Struktur der Partitur gerecht und wirkt dem allfälligen Urteil über Korngolds allzu oberflächlicher Operettenmusik entgegen. Allerdings wirkt das gesamte Klangbild unstet und die Stimmen haben es immer wieder schwer, sich gegen die Orchesterdynamik durchzusetzen. 

Das Publikum folgt der Aufführung wie bei einem Krimi und ist begeistert von den Darstellern, die mit langem und herzlichem Applaus gefeiert werden.

Achim Dombrowski   

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