Das Anders als wir Menschen... Midsummernight Dream in Berlin

Xl_gpsommernachtstraum07hf_reid-quarrell © Bettina Stöß

Deutsche Oper Berlin

Benjamin Britten

A Midsummer Night’s Dream

Premiere am  26. Januar 2020

Im Rahmen des von ihrem Chefdirigenten Donald Runnicles initiierten Britten-Zyklus bringt die Deutsche Oper Berlin jetzt A Midsummer Night’s Dream in einer Koproduktion mit der Opera Orchestre National Montpellier Occitanie heraus. In Montpellier war schon im Mai des letzten Jahres Premiere. Benjamin Britten hat zusammen mit Peter Pears mit dieser auf Shakespeare zurückgehenden Oper ein ganz im Feenreich entrücktes Szenario geschaffen, welches 1960 auf Brittens eigenem Musikfestival in Aldeburgh zur Uraufführung kam.  

Der junge amerikanische Regisseur Ted Huffman, der bei den diesjährigen Festspielen in Aix-en-Provence auch die Krönung der Poppea betreuen wird, hat eine faszinierende Umsetzung kreiert. 

Die Szene mit der Bühne von Marsha Ginsberg und den Kostümen von Annemarie Woods ist in drei Ebenen in Optik und Geste klar gegliedert:  Zum einen gibt es die Elfen in ephemerem schwarz-weißem Kostüm und Maske, welche durch einen Kinderchor personifiziert werden. Puck scheint dieser Welt schon entwachsen. Er dient zwar seinem König Oberon, aber sein eigentümlicher Eifer führt zu unerwarteten Ereignissen, die Irrungen und Wirrungen unter den Menschen hervorrufen. Menschen und Natur geraten immer wieder durcheinander.  

Sodann gibt es die Welt der Handwerker, die in clownesker Kostümierung und mit großen Puppen das Schauspiel von Pyramos und Thisbe vor der Welt der Menschen präsentieren, welche als dritte Ebene wiederum durch Oberons befohlene Zaubersäfte in ihren Liebesbeziehungen verwirrt sind und außer Rand und Band geraten. 

So gibt es drei changierende Sphären, die in geheimnisvoller Weise miteinander zu korrespondieren scheinen. Die Handlung spielt im Feenreich, dem wir nicht entkommen. Als Menschen erinnern uns die Elfen und Handwerker in vielen Aspekten an uns selber, aber dann sind sie doch anders und so entfernt. So sind die Elfen für immer jung, geschlechtlich nicht festgelegt, auch nicht zeugungsfähig. Unser Wunsch nach Jugend ist hier in einseitiger Form hervorgehoben. Die Handwerker spielen und interagieren mit einem hinreißenden kindlichen Scharm, großer Naivität und Unbefangenheit, die für uns auch nicht mehr vorstellbar ist. Warum nicht? Uns verbindet viel mit ihnen – und doch bleiben sie uns entrückt, viele ihrer sympathischen Eigenschaften sind uns verloren gegangen.  

Die Musik unterstützt diese Situation und Anmutung: sphärische Klänge – Brittens eigene Variante der Zwölfton-Kombinatorik, der Einsatz eines Countertenor als Oberon, und immer wieder der Kinderchor sorgen für eine irrlichternde, unwirkliche, aber leichte und spielerische Atmosphäre. Maßgeblichen Anteil haben die Lichtkunst von D.M.Wood sowie die Choreographischen Gestaltungen von Sam Pinkleton und Ran Arthur Braun, letzterer speziell für Puck, der meist an Seilen befestigt durch den Bühnenraum schwebt.

Wunderbar die Sängerbesetzung mit dem Countertenor James Hall als König Oberon, der bereits in Montpellier mitgewirkt hat und dem man die Britten-Erfahrung deutlich anmerkt, und Siobhan Stagg als Königin Tytania. Die beiden verwirrten Liebespaare werden von Karis Tucker und Jeanine De Bique außerordentlich komisch und stimmlich klangschön zur Darstellung gebracht, wobei die Frauen in ihrer Ausstrahlung deutlich stärker überzeugen. Auch Hippolyta von Annika Schlicht und Theseus von Padraic Rowan bleiben ihren Charakterdarstellungen nichts schuldig. Die Handwerker werden von James Platt als Bottom mit durchsetzungsstarkem Bass angeführt. Weitere Sänger und Darsteller sind vielfach Stipendiaten unterschiedlicher Förderer und Stiftungen, die ihre Chancen, Bühnenerfahrung zu sammeln, in begeisterter Hingabe nutzen.  

Eine treibende, Handlung und Personen stets vorantreibende Rolle, spielt auf wunderbare Weise der schottische Schauspieler Jami Reid-Quarrell als Puck, dem man seine interdisziplinäre Erfahrung von Schauspiel, Choreographie, Tanz und Film deutlich anmerkt. So sehr er einerseits seinem König Oberon dient, so sehr muss er sich selbst entfalten, auch wenn er noch nicht weiß wie und warum und wohin – wie ein Mensch in einer wichtigen, spannenden Entwicklungsphase mit viel unbezähmbarer Energie und noch völlig unklarem Ziel und Ausgang. 

Der große Kinderchor unter der Leitung von Christian Lindhorst ist darstellerischer und musikalischer Träger des Abends.

Das Orchester der Deutschen Oper Berlin unter seinem Chef Donald Runnicles kann auf die gemeinsame Arbeit der vergangenen Jahre aufbauen und besticht durch ein feines, durchhörbares, in jeder Instrumentengruppe präzises Spiel, das so schön wirkt als ob das Orchester eigens für die Aufführung der Musik Brittens da ist.

Begeisterter, lang anhaltender Applaus für alle Beteiligten, nicht zuletzt besonders nachhaltig für das Orchester. Auch das Regieteam wird heftig akklamiert.     

Achim Dombrowski

Copyright Fotos: Bettina Stöß

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