Spontinis "Fernand Cortez" aus Florenz auf Bluray Disc: Sehens- und hörenswerte Rarität

Xl_fernand_cortez-spontini-florenz-blue_ray-6-20 © Michele Monasta

Und wieder einmal ist von der Entdeckung eines Werkes zu berichten, das in unseren Zeiten noch nie in der französischen Urfassung aufgeführt wurde: „Fernand Cortez“ von Gaspare Spontini (1774-1851). Es ist die Geschichte des gleichnamigen Eroberers über dessen Feldzug der Spanier nach Mexiko aus dem Jahre 1809, eine Oper, die sogar Napoleon beim Komponisten in Auftrag gegeben hat, um dafür Propaganda zu machen. Die Oper wurde aber in Paris schon nach 24 Vorstellungen abgesetzt, weil das spanische Unternehmen nicht wie gehofft verlief und die Identifikation mit dem allzu hochpolierten Helden, der die Zivilisation und den Fortschritt zum Schaden der Einheimischen nach Mexiko bringt, schwer zu vermitteln war. Die Uraufführung des Musikdramas in Paris war trotzdem ein Triumph. In der Folge gab es davon dann eine Unmenge von Bearbeitungen und verschiedenste Versionen, die auch in Deutschland aufgeführt wurden. Die eigentliche Urfassung wurde aber nie mehr gezeigt.

Es ist jetzt dem Maggio Musicale Fiorentino zu verdanken, dass diese erste Fassung von „Fernand Cortez“, in kritischer Revision von Federico Agostinelli, vor etwa einem Jahr in Florenz aufgeführt wurde und nun kürzlich bei „Dynamic“ als Bluray-Disc Nr. 57868 (und auch als DVD und CD) herausgekommen ist. Die Vorstellung dauert fast viereinhalb Stunden und ist auf einer einzigen Bluray Disc aufgezeichnet. Die unglaublich vielseitigen und fast nicht enden wollenden Ballette speziell im ersten und dritten Akt des Compagnia Nuovo Balletto di Toscana (Choreographie: Alesso Maria Romano) tragen das ihre dazu bei. Prunkvoll ist die Ausstattung (Massimo Chechetto und Alessia Colosso) mit den Schiffen, Pferden und stilisierten, historischen Kostümen (Vera Pierantoni Giua). Die farbenfrohen, in vielen Rot-Tönen gehaltenen Kostüme der Inkas kontrastieren sich dabei mit dem martialischen Leder-Schwarz und den silbernen Rüstungen der Spanier auf das Vortrefflichste. Vor allem die Lichtregie von Maria Domènech Gimenez trägt viel für geradezu magische Momente der Inszenierung von Cecilia Ligorio bei. Als gelungener Kunstgriff wird eine Rahmenerzählung hinzugefügt, die auf dem Tagebuch des Morales, einem der treuen Gefährten von Cortez beruht. Er ist während der Eroberung Mexikos ein vom Gold geblendeter junger Mann, der dann später als alter Mann nachdenklicher erscheint. Er erinnert sich schuldbewusst und lässt damit Schatten des Zweifels auf den eigentlich positiven Helden fallen. Dem Abend fehlt es insgesamt nicht an Spannung, wofür auch die immer die Schwerpunkte des Geschehens einfangende Videoregie von Tiziano Mancini sorgt. Manchmal mangelt es jedoch an direkter Interaktion, weil die Solisten wegen der schwierig zu bewältigen Einsätze doch sehr am Dirigenten kleben.

Diese aber singen überwiegend vortrefflich: Alexia Voulgaridou als Amazily, die eigentlich noch eine weit wichtigere Rolle spielt als der Titelheld, wirkt vielleicht optisch ein wenig blass. Aber sie an kann abgesehen von einigen vibratoreichen Stellen trotz der unmenschlichen Anforderungen (besonders im 2. Akt) mit großer Stimmschönheit punkten, was sie mit exzellenter Stimmführung und bewundernswerter Rollengestaltung vorführt. Strahlend und sehr bühnenpräsent wirkt auch der Fernand Cortez von Dario Schmunck mit ebenso exzellenter Diktion wie alle seine Bühnenpartner, und mit staunenswerter Durchhaltekraft. Der Alvar von David Ferri Durà leuchtet mit schönem Tenor. Positiv fallen auch Davide Ciarrocchi und Nicolò Ayroldi im herrlichen Terzett der Gefangenen im dritten Akt auf. André Courville gibt den diabolischen, unerbittlichen Oberpriester der Mexikaner. Prägnant hört man auch Gianluca Margheri als fast dämonischer Gefährte Morales, der die verbindende Figur zwischen den Akten ist. Einzig Luca Lombardo fällt als Telasco immer wieder mit Intonationsmängeln ab.

Insgesamt zu loben sind die Leistungen von Orchester und Chor des Maggio Musicale Fiorentino unter der vorwärtsdrängenden Leitung von Jean-Luc Tingaud, der resch und schnörkellos Spontinis Musik auffächert und diese unglaublichen Klangmassen fein schattiert.

Großer Jubel des sehr angetanen Publikums, insbesondere viele Bravi für Alexia Voulgaridou.

Dr. Helmut Christian Mayer

| Drucken

Mehr

Kommentare

Loading