Wilfried Zelinka war bei der Premiere von Giuseppe Verdis „Macbeth“ am Grazer Opernhaus der Held des Abends, der kurz vor dem Abbruch stand: Gerade erst war das Ensemblemitglied das Hauses als Banquo, den er mit kultiviertem Bass bravourös gesungen hatte, „ermordet“ worden, als er nach einer verlängerten Pause noch als Titelheld einspringen musste. Denn dem angesetzten Macbeth Mikolaj Zalasinkski versagte nach einem stimmlich imposanten Beginn immer mehr die Stimme, sodass er bald nur noch markieren konnte. So spielte er im zweiten Teil des Abends die Rolle zwar pantomimisch weiter, während Zelinka diese von der Seite her beeindruckend und souverän vom Notenblatt sang. Dieser rettete damit die Premiere und wurde dafür vom Publikum am Ende frenetisch umjubelt.
Umjubelt wurde auch Dschamilja Kaiser als Lady Macbeth mit enormer Präsenz und Stimmgewalt. Höchste, schneidende Dramatik war zu vernehmen, aber auch innige Lyrik. Zu recht umjubelt wurde auch Mario Lerchenberger als Macduff mit höhensicherem, ausgesprochen schönem Tenor.Tadellos waren auch Euiyoung Peter Oh als spießiger Malcolm und die vielen kleineren Partien, ebenfalls aus dem hauseigenen Ensemble besetzt, und der stimmgewaltige Chor und Extrachor des Grazer Opernhauses (Einstudierung: Johannes Köhler) zu hören.
Keineswegs knallig, sorgsam ausgewogen, mit subtilen Piani, feinen Lyrismen und dunklen Farben hörte man die Grazer Philharmoniker unter dem neuen Chefdirigenten Vassilis Christopoulos bei seinem Operndebüt. Manchmal hätte man sich jedoch noch ein höheres Spannungslevel gewünscht. Man spielte die sogenannte Pariser Fassung in einer Koproduktion mit dem Staatstheater Nürnberg.
In einem großen Spiegel betrachtete sich gleich zu Beginn Macbeth. Plötzlich entstiegen diesem die Hexen, die dann fast omnipräsent agierten. Sie waren wie Dämonen, wie eine Art Alter-Ego dem Gehirn des Titelhelden entstiegen, weswegen sie auch ständig die gleiche blaue Kleidung (Kostüme: Constanza Meza-Lopehandia) wie er trugen und am Kopf Glatzen, die die Gehirne durchschimmern ließen. Damit konnte die jüngere Regisseurin Kateryna Sokolova bei dieser Vertonung des Shakespeare Dramas die Innenschau eines besessenen, schwächelnden Tyrannen mit krankhaft überbordender Fantasie gekonnt zeigen. Dazu trugen auch eine düstere, leere Bühne oder minimalistische, hölzerne, ausgefranste Gebäudefragmente, ein abstrakter Raum ohne irgendwelche Verortung fallweise mit Treppen, die ins Nirgendwo führen (Bühne: Nikolaus Webern) bei.
Großer Jubel für alle!
Dr. Helmut Christian Mayer
27. November 2023 | Drucken
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